Teil 5: Kirche

Der Blick zurück 

- Ein Beitrag von Maria Wego, Archivarin des Jugendhauses Düsseldorf -

Frauen und die katholische Kirche – ein Thema, dass nicht nur intensiv innerhalb der Kirche, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wurde und wird. Hier können zwar nur einige Aspekte dieser Diskussion beleuchtet, aber es gibt durchaus Überraschendes zu entdecken, wie die Diskussion um Ministrantinnen zeigt, die erstmals bereits 1951[!] geführt wurde.

Die Anlässe Artikel zum Thema „Ministrantinnen“ im Jahr 1951 [!] zu schreiben, sind heute nicht mehr bekannt. Der Blick auf die Beiträge legt jedoch die Vermutung nahe, dass sie von den Mädchen angestoßen wurden. Wie auch schon bei anderen Themen in der Vergangenheit arbeiteten die Redaktionen der Jungen- und Mädchenzeitschriften aber offenbar zusammen an einem Thema. Zunächst stellten Mädchen in der Jungenzeitschrift „Am Scheideweg“ die Frage, warum sie nicht ministrieren durften. Die Antwort eines Kaplans war eindeutig: Der Ministrantendienst sei im Grunde eine niedere Weihe (Akylothat) und da das Amt des Priesters Männer vorbehalten sei, könnten nur Jungen ministrieren. Alles was öffentlich geschieht, heißt es weiter, sei „mehr Sache des Mannes, die Mutter schafft daheim in der Stille, der Vater draußen im Leben“.[i] Das Thema wurde dann auch in der Mädchenzeitschrift „Bunte Kette“ aufgegriffen. Auch hier wurde in der Erklärung auf die eigentliche Weihe hingewiesen und betont, dass dies keine Zurückstufung oder Geringschätzung sei. „Die Frau ist nicht geringer, nur anders.“[ii]

1966 wurde das Thema erneut aufgegriffen, diesmal in der Zeitschrift „hallo“, die sich an Jungen und Mädchen richtete. Es wurde auf Berichte aus dem Ausland und auch auf einige nicht näher genannte Gemeinden in Deutschland verwiesen, in denen Mädchen bereits ministrierten. Auch wenn das Zweite Vatikanische Konzil nicht direkt erwähnt wird, so ist die Diskussion sicherlich auch in diesem Kontext zu betrachten. Es wurde betont[iii], dass die Messfeier nicht nur Sache des Priesters, sondern aller Gläubigen sei. Priester und Ministranten wiesen auf Christus als Hausvater hin, was sie eher könnten „als weibliche Ministranten“. Die Kirche könne von diesem jahrhundertelangen Brauch durchaus abgehen. Ministrantinnen verstößen nicht gegen die Lehre der Kirche, sondern nur gegen die Hausordnung (Disziplin) der Kirche. Die Redaktion fragte nach der Meinung der Leserinnen und Leser und stieß dabei „in ein Wespennest“ und wurde mit „Zuschriften bombardiert“.[iv] Diese sind leider nicht erhalten, doch aus den veröffentlichten Beiträgen wird deutlich, dass die Mädchen der Argumentation nicht folgen konnten. „Die Meßdiener sollen ja nicht Gott verkörpern, sondern sollen ihm dienen“, hieß es da oder „War Jesus denn nur für die Männer da?“. Seitens der Jungen wurden nur ablehnende Meinungen veröffentlicht, die Bedenken wegen erwarteter Modeprobleme äußerten („Sie wären immer am Schminken …“). Einige wenige meinten, um Streitigkeiten zu vermeiden, sollten Jungen und Mädchen getrennt ministrieren. Schließlich zog die Redaktion trotz vieler noch vorliegender Zuschriften „einen Schlußstrich“ unter die Diskussion, weil noch andere wichtige Themen angepackt werden müssten.[v]

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[i] Warum wir nicht?, in: Am Scheideweg Heft 3/1951, S. 7./ [ii] Meßdienerin??, in: Bunte Kette Heft 6/1951, S. 11 / [iii] Mädchen als Ministranten, hallo Heft 8/November 1966, S. 16-17./ [iv] Mädchen als Ministranten, hallo Heft 1/Januar 1967 S. 14-15./ [v] Mädchen als Ministranten, hallo Heft 2/Februar 1967 S. 24.

Mitte der 1980-er Jahre wurde mehr und mehr über die Rolle der Frau in der Kirche diskutiert bzw. fanden erste Veränderungen statt. So nahm im Dezember 1984 beim KSJ-Heliand erstmals eine theologische Assistentin ihre Arbeit auf, nachdem die Stelle des geistlichen Leiters Jahre vakant geblieben war[i], 1985 sprach sich der Hochschulring für eine „schrittweise Öffnung der katholischen Kirche für eine Ordination der Frau“ aus[ii] und 1989 veröffentlichte die Katholische Landjugendbewegung (KLJB) ein Faltblatt über den „lautlosen Auszug“ der Frauen aus der Kirche. Auch die Deutsche Bischofskonferenz befasste sich mit dem Thema und gab eine Studie in Auftrag, die ebenfalls - kurz gefasst - feststellte. „Die Frauen ziehen aus.“ Dazu schrieb Michaele Gabel (BDKJ Limburg) 1993 im BDKJ-Journal: „Gespräche im ‚netten Kreise‘, die unverbindlich bleiben, ohne Folgen für Mitsprache und Entscheidung, für Veränderungen innerhalb von Kirche, wollen wir Frauen nicht mehr. Wir wollen mehr. Anderes. Und stehen weiterhin im Spagat: zwischen unserer Autonomie und einem Selbstbewußtsein ‚Wir Frauen sind Kirche‘ einerseits und dem Erleben andererseits, daß Kirchenmänner weiterhin über uns, unsere Köpfe und Körper hinweg herrschen. Um im Spagat auszuhalten, braucht man gute Kondition und langes und intensives Training. Ich denke, 2000 Jahre sind lange genug.“[iii]

1992 beschloss der BDKJ, die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) zu bitten, das Amt des BDKJ-Bundespräses Frauenjugend mit einer theologischen Assistentin zu besetzen. Dies wäre eine Fortsetzung bzw. –entwicklung der bis 1988 existierenden Ämter des BDKJ-Bundespräses Frauenjugend und Mannesjugend[iv] gewesen. BDKJ und die Kommission Jugend der DBK traten in Gespräche darüber ein, doch wurden sie bis 1994 nicht zu einem Abschluß gebracht. Danach verliert sich die Spur in den Akten, in denen nun die Diskussionen um den „Demokratieförderplan“ dominierten, den die BDKJ-Hauptversammlung im April 1994 beschlossen hatte. In ihm wurde mehr Dialog, Mitbestimmung und Demokratie in der Kirche gefordert. Betont wurde die wesenhafte Gleichheit und das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen sowie der Gemeinschaftscharakter der Kirche. Es solle „eine Rückbesinnung auf ein Verständnis des kirchlichen Leitungsamtes als Dienstamt mit Durchführungsgewalt“[v] geben. Mädchen und Frauen sollten an allen kirchlichen Funktion, d.h. auch an der Priesterausbildung beteiligt werden. Auch wenn der Demokratieförderplan mehr beinhaltete als die Forderung der Zulassung von Frauen zum Priesteramt, so blieb dies bis heute als der wesentliche Punkt in Erinnerung, der zu den Auseinandersetzungen zwischen BDKJ und Deutscher Bischofskonferenz führte. Die Diskussion rund um den Demokratieförderplan und die Unterschriftenaktion des BDKJ auf dem Katholikentag in Dresden verlief so vielschichtig wie emotional und führte schließlich u.a. zur personellen Trennung der Ämter des BDKJ-Bundespräses und des Leiters der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz.

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[i] BDKJ-Frauen und Kirche: Standortbestimmung begonnen, in: Informationsdienst XXXIV. Jg. Nr. 3 – 15. Februar 1985,S. 35)./ [ii] (Hochschulring für Frauen als Priester, in: Informationsdienst XXXIV. Jg. Nr. 19 – 15. Oktober 1985,S. 219./[iii] Michaele Gabel, Aufrüttelnde oder beschwichtigende Ergebnisse), in: BDKJ-Journal2. Jg., Nr. 4, 10. April 1993, S. 23./ [iv] Seither gibt es nur noch einen BDKJ-Bundespräses. / [v] Macht teilen – Gleichheit anerkennen. Ein Demokratieförderplan für die katholische Kirche in Deutschland. Beschluss der BDKJ-Hauptversammlung 1994, in: Archiv des Jugendhauses Düsseldorf 02/025-03, S. 5.

Ein besonderes und sehr schwieriges Thema griff die BDKJ-Bundesfrauenjugend 1993 auf: Sexuelle Gewalt in der Kirche. In dem Beschluss „Nicht sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist ein Tabu in der Kirche – sondern das Reden darüber“  wurde u.a. darauf hingewiesen, dass es oft „scheinbar nur um den Schutz des (möglichen) Täters“ gehe und „nicht selten […] den Frauen eine Mitschuld an der Belästigung oder dem Mißbrauch zugesprochen“ werde. Viele kirchliche Mitarbeiter seien nicht informiert, und es gebe zu wenige Beratungsstellen. Der BDKJ forderte u.a. die Mitglieds- und Diözesanverbände auf, das Thema in die Ausbildungskonzepte der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden zu verankern.

Der Beschluss[1] wurde seitens des BDKJ weiter in die Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Organisationen Deutschlands (AGKOD) getragen, fand dort aber nur die Unterstützung der beiden Frauenverbände Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und Katholischer Deutscher Frauenbund (KDFB). Gemeinsam mit dem BDKJ und der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz verfassten sie schließlich 1996 den Brief „Frauen und Mädchen – Gewalt – Kirche“. „Die Auseinandersetzung mit der Gewalt gegen Frauen und Mädchen gehört zur notwendigen Neuordnung des Geschlechterverhältnisses auch in der katholischen Kirche“[2], heißt es darin abschließend.

1993 zeigten manche andere Verbände jedoch Unverständnis für die „Engführung“ des Themas auf Mädchen und Frauen. Außerdem wurde der BDKJ dafür kritisiert, dass der Eindruck entstehen könnte, es ginge ausschließlich um das Täterumfeld katholische Kirche. Der BDKJ brachte den Antrag auch in die Deutsche Bischofskonferenz ein, die ihn an die Pastoralkommission weiterleitete. Der BDKJ-Bundesvorstand berichtete dann auf der BDKJ-Hauptversammlung 1994: „Die Jugendkommission hat den BDKJ gebeten, eine daraus resultierende Vorlage für den Ständigen Rat zu erarbeiten.“ Jugendbischof Nowak ergänzte auf Nachfrage, „daß sich die Jugendkommission in zwei Gesprächen mit dem Thema beschäftigt hat und die Beratung auch beim Ständigen Rat in der kommenden Woche angemeldet hat“. Gerade vor dem Hintergrund der Debatten der vergangenen Jahre, wäre die Auseinandersetzung mit der Frage hilfreich, welche Teile der katholischen Kirche wann Sensibilität für das Thema sexuelle Gewalt in der Kirche entwickelten.

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[1] Dies und folgendes ist den Protokollen der BDKJ-Hauptversammlung und des BDKJ-Hauptausschusses zu entnehmen 1993 und 1994. /[2] Katholische Arbeitsgruppe in der Ökumenischen Projektgruppe der „Ökumenischen Dekade – Solidarität der Kirchen mit den Frauen (Hg.), Frauen und Mädchen – Gewalt – Kirche, 1996, S. 31.

Blick nach vorn

- Ein Beitrag von Julia Kösters. Julia ist Geistliche Bundesleitung der KSJ (Katholische Studierende Jugend) und Mitglied im BDKJ-Bundesfrauenpräsidium. -

100 Jahre Mädchenverbandsarbeit heißt 100 Jahre Mädchen und Frauen, die aktiv Kirche gestalten. Die ihre Stimme gerade in Zeiten von Unterdrückung der Rechte von Frauen erhoben haben und immer noch erheben. Die einladen, mit einem kritischen Blick die Gesellschaft zu betrachten und diese für Männer und Frauen gleichermaßen gerecht zu verändern.

100 Jahre Mädchenverbandsarbeit zeigt die Wichtigkeit der Rolle von Mädchen und Frauen in der Kirche. Ihr Einsatz am Nächsten, ihr Engagement in der Welt und ihre Motivation für Gerechtigkeit aller Geschlechter sind für unsere lebendige Kirche unverzichtbar. Erste Schritte, die zeigen, dass die Amtskirche diese Wichtigkeit wahrnimmt, werden durch die Forderung der Prüfung des Diakonats für Frauen von Papst Franziskus deutlich. Wir Mädchen und Frauen im BDKJ unterstützen diese Forderung nachdrücklich und darüber hinaus nicht nur die Prüfung, sondern insbesondere die Öffnung des Diakonats für Frauen.

Dabei ist es wichtig und unverzichtbar, dass es nicht darum geht, Jungen und Männern ihre Bedeutung in der Kirche und den Ämtern abzusprechen, sondern viel mehr darum, eine Gerechtigkeit herzustellen und damit den Mädchen und Frauen in ihrer Wichtigkeit für die Kirche Wertschätzung, Achtung und Respekt entgegenzubringen. Eine gerechte Kirche in der Welt von heute kann nur bestehen, wenn Mädchen und Jungen, Frauen und Männer in gleicher Weise wertgeschätzt und geachtet werden. Das heißt in letzter Konsequenz, dass es in der Besetzung von Weiheämtern keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern geben darf und der Mensch in seinem Mensch-sein im Vordergrund stehen muss.

100 Jahre Mädchenverbandarbeit können nur der Anfang vieler weiterer Jahre sein, in denen Mädchen und Frauen Gesellschaft gestalten, Kirche verändern und ihre Verantwortung in der Welt wahrnehmen.

Wir waren viele. Wir sind viele. Wir sind Mädchen und Frauen im BDKJ.