Offener Brief des BDKJ-Bundesvorstands

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(Bild: pixabay.com)

Offener Brief des BDKJ-Bundesvorstands an die Verhandlungspartnerinnen und –partner zur Bildung einer Großen Koalition

Jugendarbeitslosigkeit in Europa und ein Anspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter - Das sind die Stellen an denen es auf den 28 Seiten des Sondierungspapiers konkret auch um Jugendliche geht. Bei allem Respekt für die Vielfalt der Themen, gute Ansätze in der Europapolitik, Kinderrechte im Grundgesetz und die Herausforderung gute Kompromisse zu finden – das ist uns noch zu wenig!

Jugend ist so viel mehr! Jugendliche defizitorientiert und mit Fokus auf eine ganztägige Betreuung zu betrachten greift einfach zu kurz und wird den diversen Lebenslagen junger Menschen nicht gerecht. Als BDKJ-Bundesvorstand und damit als gewählte Vertretung von rund 660.000 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland fordern wir daher angemessenen Raum für das Thema Jugend in den Koalitionsverhandlungen und im Koalitionsvertrag. Das bedeutet für uns z.B. endlich die Wahlalterabsenkung durchzusetzen, neben dem Breitbandausbau auch die Medienbildung zu stärken und die Perspektive junger Menschen in allen Politikfeldern in den Blick zu nehmen.

Besonders wichtig sind uns dabei folgende Punkte:

Ehrenamt stärken!

Die beste Anerkennung ehrenamtlichen Engagements ist die Ermöglichung guter Rahmenbedingungen. Wir begrüßen deshalb die Zusage ehrenamtliches Engagement besser zu fördern und die Absicht bestehende Regelungen zu entbürokratisieren, wünschen uns hier aber noch konkretere Zusagen. Gemeinsam mit anderen Jugendverbänden setzen wir uns beispielsweise im Bereich der Führungszeugnispflicht für Ehrenamtliche für unbürokratischere Regelungen ein und haben hier mit der Möglichkeit einer Abfrage beim Bundeszentralregister schon konkrete Vorschläge gemacht. Zugleich braucht es konkrete Ressourcen um die Präventionsarbeit im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe qualitativ weiter entwickeln zu können.

Darüber hinaus fordern wir eine stärkere Sichtbarkeit und Förderung der zivilgesellschaftlich organisierten Freiwilligendienste, dem FSJ, dem FÖJ oder den internationalen und entwicklungspolitischen Freiwilligendiensten. Allein in katholischen Einrichtungen absolvierten 2017 fast 10.000 junge Menschen ein FSJ. Diese Zahl steigt seit Jahren an, ohne dass die entstandenen Kostensteigerungen zu höheren Fördersummen geführt hätten. Das ist so nicht länger hinnehmbar!

Ob in der Jugendverbandsarbeit, bei der Jugendsozialarbeit oder bei den Freiwilligendiensten – eine starke Zivilgesellschaft ist der wichtigste Baustein für eine starke Demokratie, und die braucht es jetzt!

Gleichstellung voranbringen!

Wir fordern eine kohärente Gleichstellungspolitik! In den vergangenen Jahren sind wir ein gutes Stück weiter gekommen auf dem Weg hin zu einem geschlechtergerechten Deutschland. Wir wollen diesen Weg weitergehen und ermutigen die Koalitionsparteien hier voran zu schreiten. Konkret fordern wir die vollständige Umsetzung des Übereinkommens des Europarats über die „Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“, der so genannten Istanbul-Konvention. Hierzu gehört u.a. die Einrichtung einer Koordinierungs- und unabhängigen Monitoringstelle und die gleichen Rechte für geflüchtete Mädchen und Frauen.

Gerade auch mit Blick auf Frauen – die häufig die Hauptleidtragenden sind – fordern wir keine weitere Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte!

Nachhaltig handeln!

Im Ergebnis der Sondierungsgespräche vermissen wir Antworten auf den globalen Klimawandel und die wachsende Ungerechtigkeit weltweit. Wir fordern ein klares Bekenntnis zu den Substainable Development Goals und eine Umsetzung der Agenda 2030 sowie des Pariser Klimaabkommens. Deutschland muss hier eine Vorreiterrolle einnehmen und handeln.

Nachhaltig handeln bedeutet für uns der Einsatz für eine auch zukünftig lebenswerte Welt! Fluchtgeschichten sind immer Geschichten von Krieg und Gewalt, Diskriminierung, Verfolgung oder Unterdrückung, wirtschaftlichem oder sozialem Elend, der fortschreitenden Zerstörung von natürlichen Ressourcen und Lebensgrundlagen sowie schweren Menschenrechtsverletzungen. Nachhaltig handeln bedeutet deshalb sowohl durch Friedenspolitik, faire Handelsabkommen, gerechte Ressourcenverteilung und wirksame Klima- und Entwicklungspolitik die Lebenssituation aller Menschen weltweit zu verbessern und zugleich auch die (jungen) Menschen, die zu uns kommen, nachhaltig zu integrieren!

Jugendpolitik ernst nehmen!

Die Bemühungen der letzten beiden Legislaturperioden zur Umsetzung einer eigenständigen Jugendpolitik auf Bundesebene müssen fortgesetzt werden! Jugend muss als eigenständige Lebensphase anerkannt und ernst genommen werden – das muss sich auch auf den Koalitionsvertrag auswirken! Junge Menschen, ihre Bedürfnisse und Perspektiven, müssen in allen Politikfeldern mitgedacht werden und zugleich auch klar im Fokus des eigenen Ressorts stehen!

Wer Jugend wirklich ernst nimmt, der lässt sie auch durch wirkungsvolle und nachhaltige Beteiligungsprozesse partizipieren. Am wirkungsvollsten indem man endlich das Wahlalter für Bundestagswahlen auf 16 Jahre absenkt.

Fair verhandeln!

Als Jugendverbandlerinnen und Jugendverbandler kennen wir nächtelanges Verhandeln und das Ringen um die besten Kompromisse. Unserer Erfahrung nach gelingt das am besten mit Fairness, Mut und Wertschätzung für die andere Partei. Das wünschen wir Euch und Ihnen auch für die anstehenden Verhandlungen! Für Beratung und Rückfragen zu unseren Positionen stehen wir natürlich gern zur Verfügung.

Mit herzlichen Grüßen,

der BDKJ Bundesvorstand

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